Minister genehmigt Oberstufen – trotz zu geringer Schülerzahlen / SPD hatte Druck gemacht.
Bildungsminister Marco Tullner (CDU) hat einen drohenden Schulstreit zwischen Union und SPD vorerst geglättet: Die ersten beiden Gemeinschaftsschulen im Land dürfen trotz zu niedriger Schülerzahlen eine eigene Abiturstufe bilden. Eine Garantie für die Zukunft ist das allerdings nicht.
Noch im September hatte Marco Tullner mit einem Brief an SPD-Fraktionschefin Katja Pähle für Ärger bei den Sozialdemokraten gesorgt. Darin informierte der Minister sinngemäß: In den ersten beiden Gemeinschaftsschulen des Landes, die eine eigene Abi-Oberstufe einführen wollen, werde die notwendige Mindestschülerzahl von 50 nicht erreicht. Sollte es zum Halbjahr dabei bleiben, werde an den Schulen keine zwölfte Klasse eingerichtet, kündigte Tullner an.
Gemeint waren die ersten 11. Klassen der Gemeinschaftsschulen in Wolmirstedt (48 Schüler) und Aschersleben (44). Die SPD, für die die Gemeinschaftsschulen mit langem gemeinsamem Lernen zum bildungspolitischen Programm gehören, witterte politische Beweggründe:
Dass Tullner sich so positioniere sei „offenkundig eine politisch motivierte Ungleichbehandlung von Schulformen“, sagte Pähle damals. Unterstützung bekam sie von Grünen und der oppositionellen Linken.
Es folgten Gespräche im Koalitionsausschuss und mit den Schulen. Gestern bewegte sich Tullner nun auf die SPD zu: „Die Johannes-Gutenberg-Schule Wolmirstedt und die Albert-Schweitzer-Schule Aschersleben können im kommenden Schuljahr in die Abiturphase starten“, sagte er nach einer Sitzung des Kabinetts. Da die Schulen die Mindestschülerzahl auch weiter nicht erreichen, sollen sie eine Ausnahmegenehmigung über drei Jahre erhalten. Dass die Entscheidung ein Zugeständnis an die SPD sei, wies der Bildungsminister zurück. „Die Schulen sollen die Chance erhalten, sich im Wettbewerb mit anderen Schulformen zu beweisen“, sagte er.
Die Tatsache, dass in beiden Schulen inzwischen jeweils nur noch 41 Schüler die elfte Klasse besuchen, erschwere aber die Bildung einer Oberstufe, betonte Tullner. Die Folge seien Einschränkungen im Kursangebot.
Die SPD begrüßte die Neubewertung: Die Regelung „schafft für die betroffenen Schülerjahrgänge und ihre Eltern Rechtssicherheit“, sagte Fraktionschefin Pähle. „Die Schulträger sollten alles daransetzen, dass beide Schulstandorte dauerhaft attraktiv sind, um dort das Abitur zu machen.“ Wie es nach der aktuellen Abiturstufe für Wolmirstedt und Aschersleben weitergeht, ist offen. Der Systemfehler habe darin gelegen, 2012 Gemeinschaftsschulen mit nur zwei Klassen überhaupt starten zu lassen, sagte Tullner. Eine Garantie für die Zukunft seien die Sondergenehmigungen dann auch nicht.
Insgesamt gibt es derzeit 37 Gemeinschaftsschulen im Land, in denenen Schüler – je nach Abschluss – bis zur neunten oder zehnten Klasse gemeinsam lernen. Drei weitere Schulen in Halle, Wittenberg und Bad Dürrenberg planen derzeit eine eigene Oberstufe mit Abitur. Die Schülerzahlen dort sind allerdings höher als in Wolmirstedt und Aschersleben. Anders als die SPD bevorzugt die CDU die klassische Dreiteilung des Schulsystems mit Hauptschule, Realschule und Gymnasium. Auch in Gymnasien gilt für Oberstufen die Mindestzahl von 50 Schülern.
In Sachsen hat sich die neugebildete Kenia-Koalition gerade erst darauf geeinigt, auch im Freistaat Gemeinschaftssschulen zu ermöglichen. Vorausgegangen war dort eine intensive Debatte. Eine Initiative hatte 50 000 Unterschriften gesammelt, um das Thema in den Landtag zu tragen. Meinung
Volksstimme Magdeburg