Ansturm auf Nachhilfe

Anmeldezahlen explodieren auch in Sachsen-Anhalt/ Defizite vor allem bei Grundschülern

Distanzunterricht, Lehrermangel, Unterrichtsausfälle: Für Schulkinder sind die vergangenen Jahre nicht einfach gewesen. Viele hängen mit ihrem Lernstoff hinterher und die Schulstunden reichen oft nicht aus, um Rückstände aufzuholen. Deshalb hoffen immer mehr auf den Nachhilfeunterricht, das berichten Unternehmen aus der Region.

Thomas Krüger aus Magdeburg unterrichtet seit einigen Jahren als Nachhilfelehrer Kinder und Jugendliche in seinem Unternehmen „Nachhilfe Krüger“. Er kann aus erster Hand bestätigen, dass die Anfragen nach der Coronapandemie insbesondere bei den Jüngeren deutlich gestiegen sind. „Seit Anfang 2022 gingen die Anmeldezahlen wieder richtig nach oben. Wir sind fast komplett ausgebucht“, erzählt er. 120 Einzelschüler unterrichten er und sein etwa 20-köpfiges Team zurzeit. Das sei ungefähr so viel wie vor Ausbruch des Corona-Virus. Mit großem Abstand sei Mathematik besonders gefragt, Distanzunterricht, Lehrermangel, Unterrichtsausfälle: Für Schulkinder sind die vergangenen Jahre nicht einfach gewesen.

Viele hängen mit ihrem Lernstoff hinterher und die Schulstunden reichen oft nicht aus, um Rückstände aufzuholen. Deshalb hoffen immer mehr auf den Nachhilfeunterricht, das berichten Unternehmen aus der Region. gefolgt von anderen naturwissenschaftlichen Fächern. Aber auch für Deutsch und Englisch würden viele Schüler nach Hilfe suchen. Eins sei besonders auffällig, so Krüger: „Wir haben mittlerweile sehr viele junge Kinder. Vor allem aus der dritten, vierten und fünften Klasse. Das hatten wir vorher nicht.“ Vor allem die Kinder, die während der Pandemie eingeschult wurden, würden viele Probleme bei den Grundlagen haben, wie zum Beispiel beim Schreiben oder Rechnen. Grund dafür könnte das Homeschooling sein, vermutet er. Denn da mussten hauptsächlich die Eltern den Kindern das Alphabet oder das Rechnen beibringen.

Und man spüre jetzt allmählich die Folgen dieser Maßnahme. Durch Homeschooling schlecht vorbereitet. Das kann auch Ann-Katrin Preuschoft von „Minilernkreis“ in Niederndodeleben bestätigen. Seit etwa eineinhalb Jahren würden die Anmeldezahlen beinah explodieren, erzählt sie. Knapp 200 Kinder sind derzeit bei ihnen angemeldet, mehr als 50 würden nach eigenen Angaben auf der Warteliste stehen. „Die Kinder zeigen massive Defizite auf, insbesondere die Kleinen“, fasst Preuschoft die Situation zusammen. Gerade die Viertklässler, die jetzt auf eine weiterführende Schule kommen sollen, seien insbesondere durch das Homeschooling nicht gut vorbereitet.

Ähnliches berichtet Denise Kirchberger, Pressesprecherin des deutschlandweit agierenden Nachhilfeunternehmens Schülerhilfe. Auch sie spricht von einem erhöhten Zulauf von Schülern, bei denen der Wechsel zur weiterführenden Schule ansteht. „Besonders zur Vergabe der Zwischenzeugnisse steigt die Nachfrage nach Nachhilfe“, fasst sie die Situation zusammen. Der Grundschulverband Sachsen-Anhalt sei schon vor Monaten auf das Problem aufmerksam geworden und sehe wie Nachhilfelehrer Thomas Krüger und Ann-Katrin Preuschoft das Homeschooling als einen der Gründe für die steigenden Anmeldezahlen bei Grundschülern. Denn wenn Kinder beim Unterricht mit den Eltern etwas nicht richtig gelernt haben, falle das erst später auf, sagt die Vorsitzende des Verbands Thekla Mayerhofer. „Und dann wird es für die Lehrkräfte schwierig, diese Lücken zu schließen.“

Doch auch wenn die Corona-Pandemie einen entscheidenden Teil zu Lernrückständen beigetragen habe, liege der Kern des Problems immer noch beim Lehr- und Fachkräftemangel, betont Mayerhofer. Denn, wenn nicht genug Lehrer in den Schulen unterrichten, sagt sie, könne auch nicht der Stoff ausreichend durchgenommen werden. Dass Eltern ihre Grundschulkinder deshalb vermehrt beim Nachhilfeunterricht anmelden, sehe sie zwiegespalten. Auf der einen Seite könne zusätzliche Unterstützung hilfreich sein. „Aber eigentlich sollte die Schule das alles alleine schaffen“, bemängelt sie. Denn Nachhilfe bedeute auch immer, dass Kinder einen Teil ihrer Freizeit opfern müssen.

Wie viele Grundschulkinder aus Sachsen-Anhalt genau Nachhilfe nehmen, sei statistisch nicht festgehalten, so Josefine Hannig, Pressesprecherin des Bildungsministeriums. Das Problem sei jedoch bekannt und man versuche, entsprechend entgegenzuwirken. Unter anderem mit dem sogenannten Aktionsprogramm „Aufholen nach Corona für Kinder und Jugendliche“. Mit Hilfe von zwei Milliarden Euro Fördermittel für 2021 und 2022 sollten die Länder Schüler dabei unterstützen, Lernrückstände nach der Corona-Pandemie mit zusätzlichen Förderangeboten wieder aufzuholen.

Volksstimme Magdeburg

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert