Würden Kinder besser geschützt, müssten nicht mehr ganze Klassen bei einem Corona-Fall in Quarantäne. Bildungsminister Tullner (CDU) erklärt im Volksstimme-Live-Forum, wie er die Schulen auch bei steigenden Inzidenzen möglichst offen halten will.
Sachsen-Anhalts Schüler sollen künftig womöglich generell FFP2-Masken im Unterricht tragen. Grund: Dann müssten im Fall eines mit Coronaviren infizierten Kindes nicht zwangsläufig ganze Klassen in Quarantäne geschickt werden. Der Vorstoß kam vom Magdeburger Amtsarzt Eike Hennig. Bildungsminister Marco Tullner (CDU) sagte der Volksstimme gestern bei einem Facebook-Live-Forum: „Ich lasse den Vorschlag prüfen.“ Tullner lobte die Magdeburger Coronapolitik. „Ich wünschte mir mehr Magdeburger Praxis in ganz Sachsen-Anhalt.“ Kritisch sah der Minister etwa das Vorgehen in Halle, wo ohne tiefergehende Ursachenprüfung „ganze Klassen in Quarantäne geschickt“ worden seien.

Tullner sprach sich dafür aus, die Schulen während der Pandemie weitestgehend offen zu lassen. „Ich persönlich würde das auch bei einer Inzidenz von über 200 befürworten. Denn: Wir haben allen Lehrern ein Impfangebot unterbreitet; außerdem haben wir landesweit eine Testpflicht in allen Schulen.“ Tullner meinte: „Die Bildung der Kinder darf nicht geopfert werden.“ Er plädierte für eine realistsche Sicht: Schulen sind nicht total coronafrei – aber sie seien auch keine Hochburgen. „Manche unterstellen mir, ich sei ein Todesengel, weil ich Schulen offen halte. Ich sage: Wir feiern dort keine Coronapartys. Wir alle sollten Maß und Mitte zeigen.“ Die Bundesregierung will, dass Schulen ab einer Wochen-Inzidenz von mehr als 200 Infizierten je 100 000 Einwohnern in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt dort alle Schulen schließen. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) forderte gar, schon ab einer Inzidenz von über 100 in den Distanzunterricht zu wechseln. Ende nächster Woche will der Bundestag eine deutschlandweit einheitliche Regelung in seinem Notbremsengesetz beschließen.
In Sachsen-Anhalt gilt derzeit die Regel, dass bei einer länger anhaltenden Inzidenz von über 200 Schulen schließen müssen. Das ist jetzt im Landkreis Stendal der Fall. Im Burgenlandkreis (Inzidenz über 400) gilt noch eine Ausnahme, da dort ein Pilotversuch läuft. Tullner stellte sich gestern auch Fragen der VolksstimmeLeser. Folgende Themen kamen zur Sprache: • Testpflicht: Viele wollten wissen, wie sinnvoll die Schnelltests an Schulen sind. Der Bildungsminister sagte, dass sich nach intensiven Diskussionen mit Wissenschaftlern folgendes Bild ergibt: Tests sind nur sinnvoll, wenn sie verpflichtend sind. Und: Zwei Tests pro Woche seien optimal. Statistiken zeigten, dass ein Test zu wenig sei, drei und mehr Tests aber kaum mehr Sicherheit bieten. Gerade für Kleinere würden derzeit auch Spucktests wissenschaftlich geprüft. „Sobald die zugelassen sind, werden wir diese einsetzen.“
Aber auch die Stäbchentests sind zumutbar, sagte Tullner. „Das weiß jeder, der das schon einmal gemacht hat.“ • Testen in der Schule? Tullner räumte ein, dass auf dem Weg in die Schule sich Kinder schon anstecken könnten. Doch wir haben uns intensiv damit befasst und sind zum Schluss gekommen Tests in der Schule sind besser nachvollziehbar.“ Eltern, die ihre Kinder dennoch lieber zu Hause testen möchten, können sich Testkits abholen und dies auch dort tun. •Heimschule: Wenn Eltern oder Schüler Tests ablehnen, bekommen Kinder Aufgaben und müssen sich damit zu Hause befassen. Tullner stellte aber klar, dass dies nur ein eingeschränktes Lernen sei.
Es gibt Präsenzunterricht und an den weiterführenden Schulen Distanzunterricht per Internet. Eine dritte Form, also Präsenzunterricht und zugleich Internet-Beschulung für Testablehner sei personell nicht leistbar. „Das müssen Eltern abwägen.“ • Noten: Hier setzt Tullner auf die Erfahrung der Pädagogen. „Es wird auch Fälle geben, wo coronabedingt mal keine Noten erteilt werden. Aber versetzungsrelevant ist das nicht. Ich will nicht, dass Kinder zusätzlich benachteiligt werden.“ • Sommerschule? Tullner sagt ganz klar: „Eine Pflichtschule in den Sommerferien lehne ich ab. Ich rüttle nicht an den Ferien. Alle sind am Limit und brauchen mal frei.“ Freiwillige Angebote seien immer machbar. Das Nachholen von Lernstoff werde eine Aufgabe für viele Jahre sein. • Raumlüfter: Es gibt viele Angebote von Firmen, doch eine fundierte wissenschaftliche Expertise fehle, sagte Tullner. Und selbst wenn es grünes Licht gibt. „Wir sind in Deutschland, die Umrüstung Tausender Klassen geht nicht in wenigen Monaten.“ Tullners Rat: „Lüften. Jedes Klassenzimmer hat Fenster.“
Volksstimme Magdeburg