Lehrermangel führt zu immer drastischeren Maßnahmen an Magdeburger Einrichtungen. Besorgniserregend ist der Stundenausfall an Magdeburger Schulen. Eine schnelle Lösung ist nicht in Sicht.
Sitzung des Schulausschusses des Magdeburger Stadtrats: Eigentlich stehen ganz andere Themen auf der Tagesordnung. Doch eine Nachfrage von Grünen-Stadtrat Jürgen Canehl entfacht eine umfangreiche Diskussion, die vielen Familien in Magdeburg auf den Nägeln brennt. Der Stadtrat berichtet von „wahnsinnigen Unterrichtsausfällen“, von denen er im Edithagymnasium gehört hat. Bei dem Gymnasium handelt es sich um das jüngste, kommunale Gymnasium Magdeburgs, das sich mit einer engagierten und jungen Lehrerschaft einen guten Ruf erarbeitet hat und nun nach den Ferien einen weiteren Teil des sanierten Schulkomplexes nutzen kann.
Doch die Unterrichtsausfälle sind inzwischen aufgrund des Personalmangels gravierend. So sollen beispielsweise in den fünften Klassen in den kommenden Wochen mindestens fünf Stunden pro Woche ausfallen, was nahezu einem kompletten Schultag entspricht. Geografieunterricht soll gar nicht mehr stattfinden, Kürzungen gibt es in Englisch und Mathematik. In dem Gymnasium, das derzeit mitten im Umzug steckt, war gestern Nachmittag niemand zu erreichen. Doch die Schule ist weder für Magdeburg noch für Sachsen- Anhalt ein Einzelfall.
Annette Kirstein ist Vorsitzende des Stadtelternrats und sagt auf die Frage Jürgen Canehls, was jetzt zu tun sei: „Aussitzen. Wir gehen jetzt durch zehn harte Jahre. Denn wer keine Lehrer ausbildet, der hat keine.“ Sie erinnert an das gescheiterte Volksbegehren, mit dem eine Aufstockung der Lehrerausbildung erreicht werden sollte. Mit dem Blick auf die aktuelle Situation in Sachsen-Anhalt sagt sie: „Die Kapazität in Sachsen-Anhalt reicht nicht einmal aus, um die zu ersetzen, die in Rente gehen. Wir können froh sein um jeden Quereinsteiger.“ Die Vorsitzende des Stadtelternrats nennt es in diesem Zusammenhang ein Politikum, dass Halle mit Blick auf die Strukturreform vor Jahren weiterhin nicht möchte, dass an der Otto-von-Guericke-Universität mehr Lehrer ausgebildet werden. Damals war beschlossen worden, dass in Magdeburg die Ingenieurwissenschaften, in Halle die Lehrerausbildung konzentriert werden. Diesen Beschluss hatte der Landtag im Jahr 2003 gefasst.
Matthias Stübing, der als sachkundiger Einwohner von der CDU in den Ausschuss entsandt wurden, erinnert daran, dass dort nicht genügend Plätze geschaffen wurden. Offenbar habe die Uni in Halle das Geld lieber in die Forschung gesteckt, da dies mehr Reputation bringt als die Lehrerausbildung. Zwar gibt es in Magdeburg inzwischen auch wieder für einige Fächer eine Ausbildung für Lehrer an allgemeinbildenden Schulen. Doch auch diese werden – so sie denn den Abschluss erreichen, kaum die Lücken schließen können. Vor allem aber: Ihre Ausbildung benötigt Zeit.
Wer heute ein Studium beginnt, steht erst in Jahren als Lehrer zur Verfügung. Verständlich vor diesem Hintergrund die Erinnerung Annette Kirsteins, dass die Schüler, für die jetzt an Grundschulen die Lehrer fehlen, vor sechs Jahren geboren wurden, die Schüler, die jetzt an die weiterführenden Schulen wechseln, sogar schon vor zehn Jahren. Dass eine Stärkung der Lehrerausbildung an der Magdeburger Uni ein Kraftakt wäre, darauf machte FDP-Stadträtin Kathrin Meyer-Pinger aufmerksam: Es müsste an der Uni ein Lehrstuhl eingerichtet werden, der samt Personal auf Dauer finanziert werden müsste.
Volksstimme Magdeburg