Klassenraum statt Katheterlabor

Am Internationalen Stiftungsgymnasium schlüpfen die Eltern für einen Tag in die Lehrer-Rolle
Eltern als Lehrer – das probierte das Internationale Stiftungsgymnasium jetzt zum zweiten Mal aus. Ein Kardiologe und eine Theaterpädagogin sorgten so zum Beispiel für eine abwechslungsreiche Unterrichtsstunde.

Einen für eine Schulstunde sehr ungewöhnlichen Anblick erleben am Donnerstagmorgen die 5. Klassen des Internationalen Stiftungsgymnasiums. „Hier seht ihr ein sehr gesundes Herz“, erklärt Karl-Heinz Binias und führt den Sensor des mobilen Ultraschallgeräts über die Brust seines Probanden. Die Schüler lauschen gespannt den Ausführungen des Kardiologen. Nur für eine von ihnen ist das alles nicht mehr ganz neu. Denn auch seine Tochter Anneliese ist dabei. Wie findet sie es, dass ihr Vater heute den Unterricht in ihrer Klasse für eine Stunde übernimmt? „Geht so“, ist die vorsichtige Antwort.

„Ich habe sie natürlich vorher gefragt, ob das okay ist, als die Anfrage kam“, sagt Karl-Heinz Binias. Sehr aufgeregt sei er vor seiner ersten Stunde gewesen, räumt er ein. „Sonst halte ich Vorträge vor Kollegen, da ist das hier schon etwas ganz anderes“, sagt der Ärztliche Direktor und Chefarzt der Klinik für Innere Medizin, Kardiologie und internistische Intensivmedizin am Ameos-Klinikum Schönebeck. Und nach den ersten 45 Minuten muss der Mediziner feststellen: „Das ist aufregender als drei Stunden im Herzkatheterlabor.“ Er findet, dass es ein „tolles Konzept“ ist, das auch an anderen Schulen Eingang finden sollte.

So wie er sind an diesem Tag weitere Eltern von Schülern des Stiftungsgymnasiums in die Schule an der Agnetenstraße gekommen, um sich und ihren Beruf vorzustellen. „Wir haben uns dabei an dem in den USA bekannten ‚Career Day‘ orientiert“, sagt Schulleiter Mike Keune. Im Vorjahr gab es die Premiere mit positiver Resonanz, so dass eine Wiederholung in diesem Jahr außer Frage stand.

Korinna Wendt ist an der Otto-von-Guericke-Universität Koordinatorin für das „Magdeburger Ausbildungszentrum für medizinische Basisfertigkeiten“, kurz Mamba. Dort können Medizinstudenten praktische ärztliche Fähigkeiten und klinische Handlungsabläufe erlernen.

Sie zeigt den Schülern, wie sie bei einem medizinischen Notfall richtig reagieren. Hugo muss sich dazu auf den Boden legen, damit ihn Dandera in die stabile Seitenlage bringen kann. Dass die Mutter Erfahrung in der Anleitung hat, merkt man gleich, die Schüler sind ganz bei der Sache, wenn sie die Griffe erklärt.

Theaterpädagogin Kerstin Reichelt bringt die Schüler stattdessen zum Tanzen. Mit einem Gong signalisiert sie ihnen, wann sie sich wild bewegen dürfen und wann sie in der aktuellen Pose ganz still stehen sollen. Damit sorgt sie für viel Freude. Auch Elternteile aus dem Tourismusbereich sowie einer Anwaltskanzlei geben an diesem Tag einen Einblick in ihren Berufsalltag.

„Für die Kinder ist es spannend zu sehen, wie sich die Eltern als Lehrer schlagen“, sagt Juliane Behrendt von der Schulleitung des Gymnasiums. Und diese wiederum haben auch eine einmalige Erfahrung. „Einige sagen danach zu den Lehrern ‚Wie machen sie das bloß?‘ und andere meinen ‚Das wäre auch genau mein Job‘“, erzählt sie.

Für Schulleiter Mike Keune ist die Aktion „Teil der Vorbereitung auf das Leben, die in der Schule stattfindet“. „Die Eltern sollen erzählen, was sie aus der Schule für ihren heutigen Beruf alles noch brauchen. Sie zeigen ganz praktisch, wozu Schule gut sein kann“, erklärt er. Und die Eltern, die „aufgeregt wie der Referendar vor seiner ersten Stunde“ sind, erleben, wie schwer der Beruf des Lehrers sein kann.

Volksstimme Magdeburg

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