Lautstark gegen Extra-Stunde pro Woche / Gewerkschaft kündigt Klage an
Ab Mitte März soll Sachsen-Anhalts Lehrerschaft länger unterrichten, um dem massiven Unterrichtsausfall Herr zu werden. So will es die Regierung. Die Gewerkschaft lehnt das vehement ab. „Geht die Belastung weiter rauf, hör ich mit 63 auf“ – etwa 800 bis 1000 Lehrerinnen und Lehrer protestierten am Montag auf dem Magdeburger Domplatz mit Trillerpfeifen und Plakaten gegen eine von der Landesregierung geplante neue Arbeitszeitverordnung. Es geht um eine zusätzliche Unterrichtsstunde pro Woche vor den Klassen.
In Grundschulen wären dann 28 Stunden Pflicht, in weiterführenden Schulen 26 Stunden. Ausgenommen sind Ältere ab 62 Jahren. Die Mehrstunde wird bezahlt oder einem Zeitkonto gutgeschrieben. Dies soll helfen, den Unterrichtsausfall zu minimieren. In Sachsen-Anhalt fallen im Jahr mehr als 450 000 Stunden wegen Lehrermangels flach. Die Lehrergewerkschaft GEW und andere Verbände lehnen den Zwang vehement ab. GEW-Landeschefin Eva Gerth sagte auf der Demonstration: „Wir haben keine Lust, die Ergebnisse einer verfehlten Personalpolitik der Vergangenheit auf unserem Rücken wegzutragen.“ Sie warf der Landesregierung eine radikale Sparpolitik vor, die Neueinstellungen sowie eine bedarfsgerechte Ausbildung an den Universitäten jahrelang verhindert hatte.
Die Gewerkschaft fordert stattdessen eine schnelle Anhebung der Gehälter für Grundschullehrer sowie mehr Schulassistenten, die Pädagogen von organisatorischen Arbeiten entlasten. Die Regierung bleibt fest entschlossen, die Zahl der Unterrichtsstunden heraufzusetzen. Auch eine Expertenkommission der Kultusministerkonferenz hatte allen Ländern empfohlen, die Stundennormen zu erhöhen. Bildungsministerin Eva Feußner (CDU) will – nach Anhörung der Verbände – am 7. März dem Kabinett die neue Regelung vorlegen. „Tritt die Regelung in Kraft, wird den Schulen noch eine Übergangszeit zur Umsetzung der neuen Maßnahme gewährt“, teilte ein Sprecher mit. Die GEW kündigte rechtliche Schritte an. In anderen Bundesländern gelten bereits höhere Normen als in Sachsen-Anhalt. In zehn von 16 Bundesländern werden mehr als 27 Pflichtwochenstunden an Grundschulen angeordnet. Zudem gelten für Sekundarschulen in zehn Bundesländern mehr als 25 Stunden Unterricht als Pflicht. Allerdings regeln viele Länder zugleich Entlastungen für ältere Kollegen großzügiger. Unter dem Strich kommt in Sachsen-Anhalt jedoch deutlich weniger Unterricht bei den Schülern an als in den meisten anderen Bundesländern, wie die Statistik zeigt.
Der Zwang zur Zusatzstunde sorgt auch in der Koalition für Schmerz. „Das ist ein Schritt, der uns am schwersten fällt“, sagt SPD-Fraktionschefin Katja Pähle. „Doch der Unterrichtsausfall ist so massiv, dass wir leider zu diesem Mittel greifen müssen.“ Im Gegenzug hat die SPD durchgesetzt, dass das Gehalt der Grundschullehrer auf das höhere Niveau der Nachbarbundesländer angehoben wird. Derzeit verhandeln die Koalitionäre aus CDU, SPD und FDP, in welchen Stufen das geschieht. Pähle strebt eine volle Angleichung spätestens bis 2025 an.
Volksstimme Magdeburg