Nachdem Oberbürgermeister Trümper einen Schulneubau abgelehnt hat, halten Stadträte mit Argumenten dagegen
Nun hat sich der Schulausschuss gegen Magdeburgs Oberbürgermeister in Position gebracht: Angesichts weiterer Wohngebiete, die in den Stadtteilen östlich der Elbe entstehen, wolle man dort an einem Schulneubau festhalten.
Der Ausschuss für Bildung, Schule und Sport stört den Unterricht: Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD) hatte in der Stadtratssitzung im Juni die neue Marschrichtung ausgegeben. Ostelbien benötige keine neue Grundschule. Eine Beschlussfassung zu einem möglichen Standort war daher zurückgestellt worden. Und nun schießen die Stadträte im Schulausschuss unter Leitung vom ebenfalls den Sozialdemokraten zugehörigen Christian Hausmann quer. Zwar nicht per Beschluss. Wohl aber per mehrheitlichem Handheben bei einer sogenannten Meinungsbildung: Egal, was der Chef der Verwaltung meint, Magdeburg brauche sehr wohl eine neue Grundschule in Ostelbien. Mittlerweile liegt auch ein interfraktioneller Antrag vor, dass die diskutierten Schulstandorte Am Brellin, Zuckerbusch und Am Winterhafen auf Eignung für den Bau einer Schule zu prüfen sind.
Was war passiert? Wortreich hatte Oberbürgermeister Lutz Trümper erklärt, warum für Ostelbien doch keine Grundschule gebraucht werde: Die Schülerzahlen entwickelten sich in Magdeburg so, dass wegen der bestehenden und mit Neubauten in Stadtfeld und am Schanzenweg, Erweiterungen in Brückfeld, Diesdorf, Ottersleben und Westerhüsen sowie der Wiederbelebung von Schul- standorten in der Bertolt-Brecht- und in der Moldenstraße gar keine weiteren Kapazitäten gebraucht würden.
Die Kehrtwende aus dem Rathaus überraschte, da über Monate zuvor diskutiert worden war, wo in Ostelbien ein geeigneter Platz für eine Grundschule sei: Am Brellin? Am Heumarkt? Auf dem Werder? Neben der bestehenden Grundschule Brückfeld? Selbst die Verwaltung hatte den – inzwischen längst zu den Akten gelegten – Vorschlag zu einem Neubau Am Unterbär eingebracht.
Diskussion um wahre Zahlen der Kinder
Lutz Trümper hatte den Sinneswandel damit begründet, dass die Geburtenzahlen inzwischen wieder etwas sinken, dass gar nicht mehr so viel Platz an den Schulen benötigt werde. Und das gelte explizit auch in Ostelbien. Der Magdeburger Oberbürgermeister ist bekannt dafür, Ausgaben der Stadt mit spitzem Bleistift zu planen – und daher dürfte er bei in der Krise zu erwartenden Einnahmeverlusten auf der einen und hohen Zusatzausgaben auf der anderen Seite wenig Freude an aus seiner Sicht unnötigen Ausgaben haben.
Doch mit Blick aufs Argument sinkender Schülerzahlen in Ostelbien sagte der Ausschussvorsitzende Christian Hausmann während der Sitzung einfach nur: „Glaube ich nicht.“ Und weiter: „In Ostelbien wird doch noch an vielen Stellen gebaut. Wie valide sind denn da Zahlen, die nur den Ist-Zustand beschreiben?“ Als Beispiele für Gebiete mit neuen Wohnsiedlungen nannte er Cracau, aber auch den Heumarkt, wo Einfamilienhäuser, aber auch mehrgeschossiger Wohnungsbau entstehen. Ganz zu schweigen davon, dass es im Bereich des Kleinen Stadtmarschs Ambitionen für Wohnungsbau durch zwei Magdeburger Unternehmen – die kommunale Wobau und die Magdeburger Wohnungsgenossenschaft – gibt.
Falls jetzt nicht reagiert werde, drohe eine Situation wie in Ottersleben: Über Jahre sei hier die Situation kleingeredet worden, bis die Grundschule aus allen Nähten platzte und jetzt endlich die Vorbereitungen für eine Ergänzung der Einrichtung durch einen Neubau ausgearbeitet werden – während einige Schulklassen ausgelagert sind und derzeit im Gewerbegebiet am Werner-von-Siemens-Ring lernen.
Die anderen Stadträte folgten den Ausführungen Hausmanns. So Bernd Heynemann (CDU): „Wir waren uns alle einig, dass Ostelbien eine Schule braucht. Dabei müssen wir bleiben, gerade wo drei neue Baugebiete beschlossen sind. Es ist doch absehbar, dass da etwas passieren muss.“
Aufhebung der 17er-Regel im Osten kein Thema
Und andere Stadträte führten weitere Argumente ins Feld. So konnte Jürgen Canehl (Bündnis 90/Die Grünen) nicht nachvollziehen, warum eine Klassenstärke von 17 Schülern für Klassen mit vielen Migranten plötzlich keine Rolle mehr spielen sollte. Carola Schumann (FDP) sah dies ebenso: Zwar sei der Zuzug von Flüchtlingen nach Magdeburg nahezu zum Erliegen gekommen. Und Schüler aus diesen Familien, die ohne Deutschkenntnisse frisch in Magdeburg angekommen sind, gibt es längst nicht mehr in dem Maße wie vor fünf Jahren. Doch es gehe nicht allein um Flüchtlinge. Auch Schüler aus unterschiedlichen Gebieten Europas seien oft nicht in der Lage, sich ausreichend zu verständigen. Sprich: „Auch diese Schüler brauchen unsere besondere Aufmerksamkeit“, so Carola Schumann.
Gerade bei der Diskussion um die 17er-Stärke für Klassen mit vielen Kindern, welche die deutsche Sprache erst noch erlernen müssen, sei Ostelbien ohnehin kein Thema, so Dennis Jannack (Die Linke): „Die Regel, die Klassen in Schulen mit hohen Anteilen von Migranten von 17 auf 22 zu erhöhen, zieht in diesen Gebieten gar nicht: Dort befinden sich gar keine Schulen mit so hohen Anteilen mit Schülern, die nicht ausreichend Deutsch können“, so Jannack.
Womöglich steckt dahinter das Kalkül der Stadtverwaltung, künftig Schüler vom Werder statt über die Alte Elbe über die Stromelbe zu schicken – sprich in Schulen in der Innenstadt, in denen aufgrund hoher Zuwandereranteile bislang nur mit 17 statt mit 22 Schülern geplant wurde.
Carola Schumann: „Da könnte man die Schulbezirke ja ganz aufheben.“ Und worauf sie nicht hinwies: Und damit womöglich einen Tanz um begehrte Plätze an Grundschulen eröffnen, wie er für die weiterführenden Schulen beim Wechsel von der vierten in die fünfte Klasse in Magdeburg seit Jahren bekannt ist.
Mit der neuerlichen Diskussion im Schulausschuss konnte sich jedoch AfD-Stadtrat Ronny Kumpf aus einem Grund anfreunden: „Am Tag der Stadtratssitzung hätte es doch gar keine Mehrheit für einen der verschiedenen Standorte gegeben, die im Gespräch sind. Wir hätten Stunden diskutiert.“ Es sei sinnig, vorher in Ausschüssen zu diskutieren.
Stadtelternrat sorgt sich auch um weitere Schulen
Dass allerdings – um keine Ottersleber Verhältnisse aufkommen zu lassen – dabei Eile geboten ist, ist ein wiederholter Hinweis des Stadtelternrats. Dessen Vorsitzende Annette Kirstein sagte: „Wird bei der Argumentation der Stadtverwaltung eigentlich die steigende Nachfrage nach Plätzen in der Thomas-Mann-Gemeinschaftsschule eingerechnet?“ Eine Antwort darauf gab es bislang nicht. Immerhin bereitet die Stadtverwaltung Vorschläge vor, wie die Kapazitäten der weiterführenden Schulen erweitert werden können.
Und so oder so wird das Thema Grundschule für Ostelbien die Stadträte weiter beschäftigen.
Volksstimme Magdeburg