Stadtelternrat prangert fehlende Angebote für Online-Unterricht an
Über Monate konnten Kinder und Jugendliche nur am heimischen Rechner und mit Hilfe des Internets lernen. Eine Umfrage des Stadtelternrats ergab: An vielen Stellen entsprechen die Angebote keineswegs dem, was gefordert wird.
Es könnte so schön sein: Wenn die Schule ausgesetzt wird, starten die Schüler ihre Rechner und verfolgen den Unterricht via Internet. Doch nicht allein fehlt einigen dazu die Technik. Es fehlt auch am Angebot. Annette Kirstein ist Vorsitzende des Stadtelternrats Magdeburg und sagte jetzt: „Wir haben den Eindruck, dass im Bildungsministerium eine Vorstellung über den Onlineunterricht vorherrscht, die nicht mit der Realität übereinstimmt.“
Von Dezember bis Februar hatten sich viele oft auch verärgerte Eltern an den Stadtelternrat gewandt. Sie befürchten, dass durch die Schulschließung große Wissenslücken bei ihren Kindern entstanden sind. Selbst ein Jahr nach Ausbruch der Corona-Pandemie seien Kinder vielerorts durch wöchentliche Aufgaben beschult worden, die nur per EMail oder zum Download zur Verfügung standen. Damit habe man sich oft gar nicht erst bemüht, neuen Schulstoff zu vermitteln. Es werde versucht, diese Aufgabe einfach an die Eltern abzugeben oder zum Selbststudium direkt an die Kinder und Jugendlichen zu delegieren.
Zwei Drittel antworten Mit Fokus auf Video-Konferenzen hat der Stadtelternrat daher eine Umfrage zum Stand des Online-Unterrichts unter Schulelternräten durchgeführt. Aus zwei Drittel der Schulen kamen Antworten. Das Ergebnis: An 57 Prozent der Grundschulen wie auch an den beiden Förderschulen, aus denen Schulelternräte teilnahmen, fanden überhaupt keine Video-Konferenzen statt. In 22 Prozent der Grundschulen gab es in einzelnen Klassen testweise Video-Konferenzen, jedoch im Wesentlichen zur Kontaktpflege und ohne Unterricht. „Damit haben über drei Viertel der Grundschulen neuen Unterrichtsstoff nicht online vermittelt“, so das Resümee des Stadtelternrats.
In 21 Prozent der Grundschulen wurden zumindest einige Schulstunden online abgehalten. An Sekundar- und Gemeinschaftsschulen sieht es nur wenig besser aus. An der Hälfte dieser Schulen fand kein Unterricht per Video-Konferenz statt. An acht Prozent dieser Schulen wurde bis zu ein Drittel des Unterrichts online gehalten, und nur bei 42 Prozent wurde mindestens ein Drittel der Schulstunden in VideoKonferenzen unterrichtet. „Online-Unterricht in größerem Umfang finden wir in Magdeburg nur bei den Gymnasien und den Integrierten Gesamtschulen“, heißt es in der Auswertung des Stadtelternrats. In 90 Prozent dieser Schulen fand mindestens ein Drittel der Unterrichtsstunden online per Video-Konferenz statt.
„Zwar sind wir heute weiter als nach der ersten Schulschließung“, heißt es in der Auswertung. Damals hatte das Bildungsbüro der Stadt VideoKonferenzen bei nur fünf Prozent der befragten Eltern festgestellt. „Allerdings ist die Digitalisierung bei weitem nicht genug vorangeschritten“, so der Magdeburger Stadtelternrat. Es gibt deutliche Unterschiede zwischen Schulen in freier Trägerschaft und öffentlichen Schulen. Online-Unterricht in mindestens ein Drittel der Stunden fand an einer von drei Grundschulen in freier Trägerschaft und an allen weiterführenden Schulen in freier Trägerschaft statt. Bei den Schulen in öffentlicher Hand gab es VideoKonferenzen so nur an drei von 20 Grundschulen, an sechs von sieben Gymnasien und Integrierten Gesamtschulen, aber nur an zwei von neun Sekundar- und Gemeinschaftsschulen.
Volksstimme Magdeburg
Als Lehrer fühle ich mich total im Stich gelassen. Technologie funktioniert nicht. Auf andere Plattformen, außer der vom Land vorgegebenen, darf man nicht zurückgreifen. Wie sollen denn dann Videokonferenzen stattfinden. Wir haben es in meiner 1. Klasse zwar geschafft, aber oft mit Störungen. „Bitte mal alle das Video ausschalten, dann kann ich euch zwar nicht sehen, aber ihr mich und wir können weitermachen“, war ein ständiger Begleiter. In Kleinegruppen ging das dann besser, aber immer noch nicht problemlos.
Warum man nicht auf allgemein genutzte Software wie WhatsApp zurückgreifen darf, den fast alle Eltern privat benutzen, ist mir ein Rätsel (ich weiss… Datenschutz). Es war sehr frustrierend und ich bin teilweise froh aber auch teilweise besorgt wieder mit allen Kindern an der Schule zu sein.
Als Mutter von zwei Kindern in der 4. und 8. Klasse (Gymnasium) sind meine Gefühle geteilt. Im Gymnasium gab es einige Klassen online (aber auf Plattformen NICHT vom Land) und in der Grundschule gab es dieses Mal einen übersichtlichen Wochenplan (großer Fortschritt zum letzten Jahr).
Ich weiß, dass sich Lehrkräfte und Schulleitungen beim Thema Digitalisierung von Landesschulamt und Bildungsministerium oft allein gelassen fühlen. Es werden funktionierende und datenschutzkonforme Video-Konferenz-Räume benötigt, entsprechende technische Ausstattung, Schulungen und Handreichungen für Lehrkräfte zum Thema digitaler Unterricht, IT-Support in den Schulen, usw.
Wir Eltern tun, was wir können, um Anstöße zu geben. Dies war die Motivation hinter unserer Umfrage, die mittlerweile auch dem Bildungsministerium vorliegt. Allerdings müssen auch die Lehrkräfte und die Schulleitungen die Probleme direkt bei ihrem Arbeitgeber (dem Land) ansprechen, was sie mit Sicherheit auch tun. Die Lehrkräfte sitzen in den Dienstbesprechungen mit den Schulleitungen. Die Schulleitungen sitzen in den Dienstbesprechungen mit dem Landesschulamt und dem Bildungsministerium.
Wir müssen alle zusammen darauf hinarbeiten, dass wir die dringend nötigen Fortschritte beim Online-Unterricht erzielen.