Schulbücher werden vielfältiger

Auf der Bildungsmesse Didacta wird das beste Schulbuch prämiert. Die Medien werden inzwischen oft durch digitale Angebote ergänzt. Wichtig ist aus Sicht von Forschern auch, dass sie die Lebenswelt der Kinder widerspiegeln.

Längst bestimmen Smartphones und Tablets unseren Alltag. Problematisch wird es, wenn Schulbücher dieser Wirklichkeit hinterherhinken. Denn neue Auflagen mit inhaltlichen Weiterentwicklungen dauern oft etwas. „Schulbücher werden gemeinhin als träge Medien bezeichnet“, sagt Eckhardt Fuchs, Direktor des Georg-Eckert-Instituts (GEI) in Braunschweig. Dennoch sieht der Professor für Historische und Vergleichende Bildungsforschung positive Beispiele. Auf der Bildungsmesse Didacta in Hannover verleiht sein Institut mit der Bundeszentrale für politische Bildung und dem Didacta Verband den Preis „Schulbuch des Jahres“.

Für den Bildungsforscher stehen digitale und traditionelle analoge Medien nicht in Konkurrenz, sondern ergänzen sich. Bei den Nominierungen für den Preis „Schulbuch des Jahres“ seien vor allem ergänzende Materialien wie Arbeitsblätter, DVDs und Internet-Links aufgefallen. Als Beispiel nennt Fuchs das „Mbook Geschichte“ von Cornelsen, bei dem die Verlinkung mit frei verfügbaren Materialien im Netz herausragend sei. Das mache das Fach Geschichte spannend. Erweiterungen wie QR-Codes seien zudem längst im Einsatz.

In der Bildungslandschaft hierzulande sei auch „cloud computing“ gerade eine heißes Thema, sagt Fuchs. Dabei sollen langfristige und verlässliche Strukturen entstehen, über die Lehrer und Schüler mit digitalen Medien orts- und geräteunabhängig arbeiten können.

Dass die Digitalisierung die Gestaltung von Unterricht verändert und erweitert, sei heute klar, sagt Ilas Körner-Wellershaus, Leiter beim Ernst Klett Verlag. Noch gebe es aber kein Rezept, wie ein digital gestützter Unterricht aussehen müsse, um das Lernen nachhaltig positiv zu beeinflussen.

Für den Braunschweiger Lehrer Sebastian Staak reagieren die Verlage zu langsam auf Veränderungen. „Wir haben eine Schülergeneration, die anders liest als vor zehn Jahren“, sagt Staak. „Darauf gehen die Verlage noch nicht ein. Sie entwickeln sich zwar langsam, hätten aber schon mehr schaffen können.“ Sein Alltag sei noch entfernt von multimedialen Lernlandschaften, es dominierten Arbeitsblätter auf Papier: „Wir Lehrer kopieren ganze Regenwälder leer.“

Tomke Dreier, Lehrerin in Seesen, sagt: „Im Zuge der Inklusion muss auch das Schulbuch differenziert aufgebaut sein.“ Wichtig sei, dass Bilder die Texte unterstützen und sinnvoll ergänzen. Oft hätten die Bilder leider keinen Bezug zu den inhaltlichen Schwerpunkten.

Als positive Entwicklung sieht Bildungsforscher Fuchs, dass Schulbücher besonders in der Kategorie Sprache zunehmend realistische Bilder vermitteln, etwa indem Kinder mit Schulproblemen auftreten. Auch familiäre Konflikte würden aufgegriffen. „Die Schulbücher sensibilisieren interkulturell, beschäftigen sich mit Alltagsfragen oder greifen Jugendsprache auf“, sagt Fuchs. In Zukunft werde zunehmend auch die Erwartung an die Bildungsmedien gerichtet, die Diversität der Schülerschaft zu spiegeln und religiöse sowie kulturelle Fragen anzusprechen. „Im Klassenzimmer sitzen junge Menschen, die unterschiedliche Sichtweisen auf die Geschichte und verschiedene Erfahrungen zu Lebensweisen und Familienkonstellationen aus ihren Elternhäusern mitbringen“, sagt Fuchs.

Häufig seien Minderheiten allerdings noch als neu, anders oder fremd markiert. Die Politik habe zwar schon Weichen dafür gestellt, dass Vielfalt in Lehrplänen vorkommt. In der Praxis sei das noch nicht angekommen, auch weil die Lehrerschaft und damit die Autoren von Schulbüchern noch sehr homogen seien. „Die Bücher werden sich aber erst so richtig verändern, wenn Menschen unterschiedlicher Prägung an ihnen mitschreiben“, meint der Forscher.

Volksstimme Magdeburg 20.02.2018

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