Stadt macht mobil gegen Mobbing

Magdeburg arbeitet an Strategie / Einrichtung einer Beratungsstelle wird geprüft
Bisher hat Halle Sachsen-Anhalts einzige Beratungsstelle für Mobbingopfer. Nun prüft eine Arbeitsgemeinschaft die Schaffung einer Anlaufstelle in Magdeburg. Zudem wird an einer Anti-Mobbing-Strategie gearbeitet. Der Erhalt der Schulsozialarbeit spielt dabei eine entscheidende Rolle. Allerdings bekommt die Stadt nicht die nötige Unterstützung vom Land.

Ein 16-Jähriger stürzte sich im vergangenen Frühjahr bei laufendem Unterrichtsbetrieb aus dem Fenster. Eine 12-Jährige versuchte sich das Leben zu nehmen. Die Schüler überlebten, setzten mit ihrem Handeln jedoch eine Debatte in Gang, die in einem Brandbrief des Stadtelternrates mündete. Gewalt und Mobbing an Magdeburger Schulen rückten in den Fokus und mit ihnen die Forderung nach Interventions- und Beratungsangeboten, nach Konzepten für Schulsozialarbeit und einer intensiven Auseinandersetzung mit der Thematik. Vorwürfe, dass Schulleitungen in Sorge um den Ruf ihrer Schule das Thema Mobbing herunterspielen, standen im Raum und Handlungsaufforderungen in Richtung Kommunalpolitik und Landesschulamt wurden laut. So laut, dass sie nicht überhört werden konnten.

In einer Fachtagung ist zum Jahresbeginn die Situation analysiert und der Handlungsbedarf erörtert worden. Die Ergebnisse dieser Tagung sollen in eine umfassende Anti-Mobbing-Strategie einfließen, die von einer Arbeitsgemeinschaft (AG) erarbeitet wird. Der AG, namentlich „Prävention an Schulen“, gehören Vertreter des Jugendamtes, Ordnungsamtes, Landesschulamtes, der Netzwerkstelle Schulerfolg und freie Träger der Jugendhilfe an. Sie arbeiteten bisher an der Vernetzung und Weiterentwicklung von Angeboten.

Magdeburg fehlt eine Anti-Mobbing-Stelle
Eine umfassende Anti-Mobbing-Strategie liegt zwar noch nicht vor, wohl aber die Analyse der Tagungsergebnisse. Und die offenbart Handlungsbedarf. Insbesondere in der Einrichtung einer Präventions- und Interventionsstelle für Mobbing und Gewalt an Schulen. Denn bisher gebe es dieses Angebot mit der Anti-Mobbing-Stelle „MobbingHelp“ in Halle nur für den südlichen Bereich Sachsen-Anhalts. So verdeutlicht es zumindest Dezernatsleiterin Simone Borris in ihrer Ratsinformation. Für den nördlichen Bereich des Landes fehle ein solches Angebot. Aktuell nehme die AG Kontakt zu dieser Anti-Mobbing-Stelle in Halle auf, um Informationen zur Arbeitsweise, Ausrichtung und Finanzierung des Angebotes zu erhalten, erklärt Borris. Auf dieser Grundlage sollen weitere Schritte besprochen und konkrete Maßnahmen für Magdeburg abgeleitet und geprüft werden, die dann den Weg zu politischen Gremien auf Landes- und/oder kommunaler Ebene finden, um diskutiert werden zu können.

Neben einer fehlenden Anti-Mobbing-Stelle ist auch ein Defizit im Angebot für Grundschüler deutlich geworden. Während für Schüler ab Klasse 5 Webinare zu Cyber-mobbing angeboten werden, die Techniker Krankenkasse das Mobbing-Präventionsprojekt „Gemeinsam Klasse“ anbietet und zur Durchführung von Projekten Respekt-Coaches eingebunden werden können, gebe es derartige externe Angebote für Grundschüler nicht. Im Grundschulbereich setze man bisher auf Streitschlichtergruppen, deren Ausbildung das Paritätische Jugendwerk anbietet, so Borris.

Schulsozialarbeit ist bedeutende Schnittstelle
Einen bedeutenden Teil zur Mobbing-Prävention und -intervention leisten letztlich jedoch die Schulsozialarbeiter. Aktuell zähle die Landeshauptstadt 58 an 48 Schulstandorten. Sie setzen an allen Schulformen verschiedene Angebote der Gewaltprävention, z. B. in Form von Sozialtraining zur Förderung der Kommunikations- und Konfliktlösungskompetenzen sowie Teamfähigkeit um. Die Fachtagung zu Jahresbeginn verdeutlichte aus der Praxis heraus, mit welchem Nachdruck u. a. Schulleitungen, Schülerschaft, Eltern, Politik und Vertreter der Schulbehörde und Jugendhilfe die Verstetigung und Weiterentwicklung der Schulsozialarbeit in Magdeburg fordern, erklärt Borris. Schulsozialarbeiter seien an den Schnittstellen zwischen Schule und Jugendhilfe, aber auch zur Sozialhilfe, zum Gesundheitssystem, zur Wirtschaft und weiteren Bereichen tätig. „Sie sorgen dafür, dass präventiv im Vorfeld von Kindeswohlgefährdungen Angebote unterbreitet werden, wirken in Verfahren zur Sicherung des Kindeswohls mit und haben einen wichtigen Anteil daran, dass frühzeitig unterstützende Hilfen in den Familien etabliert werden können.“

Die Nachfrage der Schulen nach Schulsozialarbeitern ist groß, könne jedoch nicht befriedigt werden. Zumal die Zukunft der Schulsozialarbeit ungewiss ist. Oberbürgermeister Lutz Trümper habe sich seit Ende 2019 bis heute in mehreren Anschreiben an das Ministerium für Bildung, den Bildungsminister und den Ministerpräsidenten des Landes Sachsen-Anhalt für den Erhalt der Schulsozialarbeit in der Landeshauptstadt eingesetzt, erläutert Boris.

100-prozentige Finanzierung vom Land gefordert
Es sei dabei eindringlich auf die Notwendigkeit einer 100-prozentigen Landesfinanzierung aller bisher bestehenden Standorte der Schulsozialarbeit hingewiesen worden. Und auch die Einbeziehung aller kommunal finanzierten Schulsozialarbeiter – das sind in Magdeburg momentan 13 – in das Landesprogramm wurde gefordert. Bisher habe die Landeshauptstadt Magdeburg jedoch keine adäquate Antwort auf die in den Schreiben aufgeworfenen Fragestellungen vom Land erhalten.

Mehr als 1,1 Millionen Euro für Schulsozialarbeit benötigt
Aber: „Dem Jugendamt liegt eine Information aus der Steuerungsgruppe des Bildungsministeriums vor, dass eine 20-prozentige Beteiligung der Kommunen an der Finanzierung der Schulsozialarbeiter-Stellen für das neue Schulsozialarbeiter-Programm vom Land vorgesehen ist.“ Darüber hinaus sollen die kommunal finanzierten Schulsozialarbeiter-Standorte im Programm nicht berücksichtigt werden. Auch dieses neue geplante Programm werde zeitlich befristet sein und die Vorgaben der EU sind noch nicht bekannt. Das Land beteilige sich mit 20 Prozent, 60 Prozent entstammen dem Europäischen Sozialfonds.

Letztlich ist der Fortbestand der Schulsozialarbeit immer noch ungewiss. Um den aktuellen Stand der Schulsozialarbeit in Magdeburg perspektivisch zu sichern, werden 2023 mindestens 1,1 Millionen Euro kommunale Mittel benötigt, erklärte Borris.

Volksstimme Magdeburg

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