Erst Pandemie, dann Energiekrise: Zahl der Kinder, die nicht schwimmen können, steigt
Nach der Pandemie lernen wieder mehr Kinder das Schwimmen. Doch der Rückstand ist kaum aufholbar. Der Sparkurs bei den Bädern verschärft die Lage.
Kleine Wasserratten, die mühelos schwimmen lernen: So wünschen sich Eltern ihren Nachwuchs. Doch auch in Sachsen-Anhalt können sich viele Kinder am Ende der Grundschulzeit nicht sicher über Wasser halten. Die Zahl der Nichtschwimmer steigt, auch weil während der Pandemie kaum Unterricht stattfand. Immerhin: Es lernen nun wieder mehr Kinder schwimmen. „Wir hatten 2017, 2018 im Bundesvergleich einen guten Stand bei den schwimmfähigen Kindern“, beschreibt Holger Friedrich, Geschäftsführer der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) Sachsen-Anhalt, die Lage. Die Organisation ist einer der größten privaten Anbieter in der Schwimmausbildung.
Durch die Pandemie sei ein großer Rückstau entstanden, der kaum aufholbar ist. „Das Hauptproblem sind aber schlechte Rahmenbedingungen. Wenn immer mehr Bäder Nach der Pandemie lernen wieder mehr Kinder das Schwimmen. Doch der Rückstand ist kaum aufholbar. Der Sparkurs bei den Bädern verschärft die Lage. schließen, lernen weniger Kinder schwimmen.“ So ruhen in der Schwimmhalle Weißenfels die Sanierungsarbeiten, das„Bulabana“ in Naumburg (beides Burgenlandkreis) stand vor dem Aus, das „Woliday“ Wolfen (Landkreis Anhalt-Bitterfeld) schloss vorübergehend. Laut einer Forsa-Umfrage, die die DLRG in Auftrag gegeben hatte, können 20 Prozent der Kinder zwischen sechs und zehn Jahren nicht schwimmen. Fünf Jahre vorher waren es zehn Prozent. „Diesen Trend haben wir auch in Sachsen-Anhalt“, sagt Friedrich. Es gehe zwar bergauf, aber die Lücken seien groß. 2022 habe die DLRG rund 1000 Seepferdchen-Abzeichen vergeben, in etwa so viele wie vor der Pandemie. Damit beherrschen Kinder Grundfertigkeiten für das Schwimmen. 2021 waren es nur knapp 500 Seepferdchen.
Als sichere Schwimmen gelten Kinder aber erst mit dem Bronze-Abzeichen, vergleichbar der vierten Niveaustufe im Schulschwimmpass. Dieses Abzeichen wurde 2022 etwa 400 Mal vergeben (2019: rund 500). Der Deutsche Sportlehrerverband in Sachsen-Anhalt sieht zudem zunehmend mangelnde Vorkenntnisse: „Immer öfter sind Kinder nicht an Wasser gewöhnt. Wenn in einer Gruppe die meisten nie einen Zeh ins Wasser gesetzt haben, ist das für Schwimmlehrer schwer kompensierbar“, so Vorstandsmitglied Helge Streubel. Er bestätigt, was die Forsa-Analyse zeigte: Kinder aus ärmeren Familien können häufiger nicht schwimmen. „In sozialen Brennpunkten mit besonders heterogener Schülerschaft oder Migrationshintergründen starten die Kinder deutlich weniger vorbereitet in den Unterricht.“
Um den Corona-Rückstand aufzuholen, gibt das Bildungsministerium in Sachsen-Anhalt Gutscheine aus, mit denen Eltern Kurse für ihren Nachwuchs buchen können. Über 5000 Gutscheine sind laut Ministerium ausgegeben worden, 2022 wurden aber nur 106 abgerechnet. Das Problem: Es gibt zu wenig Kurse, so Sprecher Elmer Emig. Insgesamt sollen mehr Kinder erreicht werden. So will eine Arbeitsgruppe im Ministerium die Organisation des Schwimmunterrichts an Schulen verbessern, „da sich auch hier der Mangel an ausgebildeten Lehrkräften bemerkbar macht“.
Zudem soll Schwimmen auch an Sekundarschulen Pflicht werden, „so wie es an Grundschulen und Gymnasien der Fall ist. Derzeit läuft eine Anhörung hierzu.“ Doch das reiche nicht, sagt Friedrich. „Es ist gesetzliche Pflicht, dass Grundschüler schwimmen lernen. Aber Schwimmbäder sind eine freiwillige Aufgabe der Kommunen. Das passt nicht.“ Land und Bund müssten Kommunen bei der Bäderfinanzierung besser ausstatten. „Kommunen müssen auch vorausschauender planen. An den Bädern wurde zu lange nichts gemacht. Der Investitionsstau ist riesig.“
Volksstimme Magdeburg