Weniger Bewerber für Ausbildungsstellen

Mehr als 1800 Interessenten weniger als noch vor sechs Jahren / Handwerk fordert „Bildungswende“ für Sachsen-Anhalt

Die hohe Abbrecherquote an den Schulen in Sachsen-Anhalt trifft auf eine Wirtschaft, die dringend auf Nachwuchs angewiesen ist. Laut Agentur für Arbeit stehen dabei immer weniger junge Leute einer anhaltend hohen Nachfrage von Industrie und Handwerk gegenüber: Kamen 2017/18 landesweit noch 9969 Bewerber auf 11 293 betriebliche Ausbildungsstellen, sind es demnach in diesem Jahr nur noch 8117 Interessenten bei 11 347 Stellen. Allein die Firmen der Handwerkskammer Magdeburg meldeten bis Freitag, also kurz vor Ausbildungsstart am 1. August, noch immer mindestens 229 offene Lehrstellen.

„In allen Branchen und für nahezu alle Berufe werden noch Auszubildende gesucht“, sagte auch Isabel Reimann, Sprecherin der Industrie- und Handelskammer (IHK) Halle Dessau der Volksstimme. In einer Umfrage der IHK hätten schon 2022 gut 40 Prozent aller befragten Firmen angegeben, nicht alle Ausbildungsstellen besetzen zu können. Die IHK Magdeburg zeigt sich in diesem Jahr insgesamt zufrieden. Auch sie berichtet aber: Vor allem in gewerblich-technischen Berufen gebe es immer wieder Probleme, Azubi-Stellen zu besetzen.

Kammer-Präsident Hagen Mauer forderte angesichts der Lage im Handwerk nicht weniger als eine „Bildungswende“. Es müssten mehr Frauen ins Handwerk geholt, Gymnasiasten noch mehr über Handwerksberufe informiert und mehr Migranten ausgebildet werden, so Mauer. „Wir fordern seit längerem, ein Schulfach Technik in allen Schulformen zu etablieren und durch qualifizierte Techniklehrer abzusichern“, sagte Magdeburgs IHK-Sprecher Torsten Scheer. Zudem müssten die naturwissenschaftlich-technischen Fächer, die sogenannten MINT-Fächer, stärker gefördert und der Praxisbezug in den Schulen erhöht werden. Und nicht zuletzt brauche es verpflichtenden Unterricht zur Berufsorientierung.

Der Trend ist allerdings nicht nur negativ. So verzeichnet die Handwerkskammer Magdeburg bereits seit 2020 wieder eine Zunahme abgeschlossener Ausbildungsverträge. Von damals 824 stieg die Zahl auf 938 in diesem Jahr. Ein Grund könnte der Erfolg der Praktikums- und Lehrstellenbörse „www.halloberuf.de“sein, ebenso wie Anreize durch die sogenannte Praktikumsprämie, hieß es von der Kammer. Schüler ab 15 Jahren, die ein Praktikum in einem Betrieb absolvieren, erhalten dabei 120 Euro pro Woche vom Land. Die IHK verweist auf Erfolge bei der Ansprache von Zuwanderern für Ausbildungsberufe. So setzten Gastronomiebetriebe „mit sehr guten Ergebnissen“ auf Vietnamesen. Gewerblich-technische Betriebe könnten Stellen, die lange kaum besetzbar waren, inzwischen oft gut mit Nordafrikanern besetzen.

Und: Selbst, wer keinen Schulabschluss hat, kann laut Bildungsministerium grundsätzlich eine Ausbildung beginnen. Über die Ausbildung können die Azubis später auch den Hauptschulabschluss nachholen, hieß es.

Volksstimme Magdeburg

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